Ich komme gerade von einem Kreis der Frauen nach Hause und bin ganz beseelt über diesen wahrhaftigen, liebevoll- annehmenden Austausch dort. Wir haben uns über unsere Wut unterhalten und landeten mit der Zeit unter anderem auch bei dem Thema seine Wahrheit auszusprechen.
An diesem Abend erinnerte ich mich an Situationen in meinem Leben, in denen ich exakt sagte, was ich dachte und die Reaktionen der Umwelt waren nicht selten für mich verstörend. Oft fielen die Menschen aus allen Wolken oder ich wurde ausgelacht. Ich bin ein Mensch geworden, dem es sehr schwerfällt, konkrete Wünsche zu äußern und bevor ich eine Befindlichkeit teile, die aus der Reihe tanzt, überlege ich mir das zehn Mal. In diesem Zusammenhang möchte ich den folgenden Text teilen, der mir wiederholt im Internet, z.B. auf Facebook, begegnet ist: "Laut einer Legende aus dem 19. Jahrhundert treffen sich die Wahrheit und die Lüge eines Tages. Die Lüge sagt zur Wahrheit: “Heute ist ein wunderbarer Tag!" Die Wahrheit blickt in den Himmel und seufzt, denn der Tag war wirklich schön. Sie verbringen viel Zeit miteinander und kommen schließlich neben einem Brunnen an. Die Lüge erzählt der Wahrheit: “Das Wasser ist sehr schön, lass uns zusammen baden!” Die Wahrheit, erneut verdächtig, testet das Wasser und entdeckt, dass es wirklich sehr nett ist. Sie ziehen sich aus und beginnen zu baden. Plötzlich kommt die Lüge aus dem Wasser, zieht die Kleider der Wahrheit an und rennt davon. Die wütende Wahrheit kommt aus dem Brunnen und rennt überall hin, um die Lüge zu finden und ihre Kleidung zurückzubekommen. Die Welt, die die Wahrheit nackt sieht, wendet ihren Blick mit Verachtung und Wut ab. Die arme Wahrheit kehrt zum Brunnen zurück und verschwindet für immer und versteckt darin ihre Scham. Seither reist die Lüge um die Welt, verkleidet sich als die Wahrheit, befriedigt die Bedürfnisse der Gesellschaft, denn die Welt hat auf keinen Fall den Wunsch, der nackten Wahrheit zu begegnen." Ja, die Wahrheit ist nicht immer golden und angenehm, trotzdem sollten wir sie ehren und den Mitmenschen und uns nicht zuviel vormachen. Am Ende unterschätzen wir unser Gegenüber und machen es klein, weil wir es vermeintlich schonen wollen. Dabei sind wir erwachsen, wir gehen nicht unter, wenn sich der eine oder andere von uns entfernt. Es bleiben die Menschen, die uns annehmen und lieben, wie wir sind, mit allen Ecken und Kanten. Was wäre die Welt, wenn alles unter einen glattgebügelten Decke läge und an den Seiten quillt der Dampf heraus? Diese Welt wäre ein Gefängnis und wer heraus will, muss dann wirklich durch die Hölle gehen... Also getrost weg mit dieser Decke(lung), ruhig den Mut aufbringen, die Masken immer mal wieder beiseite zu legen. Dann die Wahrheit hervorlocken, ihr ausreichend Raum schenken, einen flauschigen Bademantel umlegen, mit ihr in die Stadt gehen und ihr neue Gewänder kaufen. Wenn euch Passanten verdutzt anstarren... Was soll's? Ihr macht die Welt gerade wahrhaftiger! Dafür muss man sich nicht rechtfertigen!! Still, ganz still zieht das alte Jahr im November seinen warmen Mantel an.
Es beginnt zu schauen, was war gut, was tat weh. Es erinnert sich an den Beginn im Januar mitten in den Rauhnächten. Es geht im Geiste alle Monate durch und bedankt sich bei ihnen. Still, ganz still schaut das alte Jahr im November aus dem Fenster. Letzte Blätter machen sich auf die Reise. Die Naturwesen ziehen sich zurück in die Wurzeln im Wald. Still, ganz still zünden wir im November Kerzen an. Für uns und für diejenigen, die wir vermissen. Still, ganz still ziehen wir unsere warmen Mäntel an, bevor wir uns an freien Tagen zu langen Spaziergängen in die Natur aufmachen. Still, ganz still werden wir, hören die leisen Atemzüge der ruhenden Elfen und Feen. Still, ganz still werden wir, sehen die letzten kleinen Fußspuren der Zwerge. Still, ganz still wartet der Dezember. Still, ganz still wartet die Adventszeit. Still, ganz still wartet Weihnachten. Still, ganz still warten die Rauhnächte. Und sie bleiben auch still, wenn wir es ihnen erlauben. Dann nähren uns diese Zeiten. Diese Tage, umhüllen uns sanft mit ihrer Dunkelheit, damit wir besser die Sterne am Himmel wahrnehmen, uns an unsere Träume erinnern und die Dankbarkeit für unser Leben spüren können. Still, ganz still zieht das alte Jahr im November seinen warmen Mantel an… Die Koffer sind gepackt und stehen bereit. „In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt, bewegt sich die Vorsehung auch. Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen.
Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt durch die Entscheidung, und er sorgt zu den eigenen Gunsten für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle, Begegnungen und materielle Hilfen, die sich kein Mensch vorher je so erträumt haben könnte. Was immer Du kannst, beginne es. Kühnheit trägt Genius, Macht und Magie. Beginne jetzt.“ Johann Wolfgang von Goethe Im Oktober vor einem Jahr beschloss ich, jede Woche einen Blogartikel zu veröffentlichen. Wie das funktionieren sollte, konnte ich mir nicht vorstellen. Aber seit diesem Augenblick schenkt mir das Leben unaufhörlich Themen, Erlebnisse, Begegnungen und Eingebungen. Ich gehe staunender und offener durch meinen Alltag. Es fließt, wie es kommt und, sofern es sich ändern sollte, ändert es sich halt. Wenn ich nicht mit dem Blog begonnen hätte, wäre mir vieles wahrscheinlich gar nicht bewusst geworden bzw. ich hätte zauberhafte Augenblicke vergessen wie die fliegenden Fische im Weiher, den ersten mystischen Herbsttag, meine Erkenntnis, dass ich ein Bambi bin und den Badewannentango befreien möchte. Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas vom Verstand her begreift oder ob man es selbst erlebt hat, denn nur im letzten Falle wandelt sich etwas wirklich im Herzen und unsere Ausstrahlung setzt dem Universum andere Signale als bisher. Ich werde mir sehr gut überlegen, was ich in Zukunft beginne, denn dieses oben von Goethe zitierte Phänomen ist real. Es funktioniert wirklich. Das ist wundervoll, vor allem, wenn man sich diesem Wunder hingeben kann… Kennst du sie auch, diese Tage, an denen du dich fühlst wie die Räuber bei den „Bremer Stadtmusikanten“?
Alles springt dich an. Jeder scheint etwas gegen dich zu haben. Jegliches, was du anfasst, fällt dir aus den Händen, so, wie das Laub jetzt von den Bäumen gleitet um sich auf der Erde niederzulassen und, ich möchte das nicht beschönigen, schließlich zu vergehen. Im ewigen Kreislauf der Natur... Jedoch selbst an solchen IchmöchtejetztWinterschlafhaltenTage meldet sich immer wieder die Lebendigkeit. Sie hebt leise den Finger und flüstert: „Bleib’ dran!“ Dann kommt ein kleines Wunder wie eine Melodie oder ein Liedtext zu mir unter die Bettdecke gekrochen, welche ich mir gerade über die Ohren gezogen hatte. Mit der Lebendigkeit stellt sich meist auch die Freude ein. Dazu bringt sie oft obendrein noch die Hoffnung mit. Je nachdem. So richtig darauf verlassen kann ich mich bisher nicht. Empfindungen, die ich wie abgestorbene erfrorene Fische in einem versumpften Teich ihrem Schicksal überlassen hatte, tau(ch)en wieder auf. Ja, so geht es mir manchmal. Und ich setze mich an das Klavier, die Fische fangen an zu schwimmen, das Wasser wird klarer. Die Fäden, die ich um mich gewickelt hatte, nehme ich wieder selbst in die Hand. Das verlockende, wärmende, Rückzug versprechende Bett wartet. Bis es Abend wird. Danke, liebe Lebendigkeit. Ich wache auf.
Die erste zarte, zerrissen schimmernde Morgensonne scheint in unser Schlafzimmer. Grapsch – Wo ist mein Handy? Grapsch – Wer will was von mir und wie wichtig ist das Ganze? Halt – dunstverwunschene Landschaft lächelt mich an. Halt – ich sehe, der Wecker zwinkert mir freundlich zu: „Da ist noch Zeit, mein Schatz!“ Tiieef durchatmen... Aus dem Fenster schauen, auch, wenn kein Bilderbuchwetter lockt. Vögelchen singen oft am schönsten, wenn es trüb ist. (Sorry, ich kann die sowas von verstehen!) Ich verstrahltes Wesen lasse Handy Handy sein und blicke zehn Minuten in die Welt, die da draußen mit einem sanften Atmen sich gerade neu entfaltet, wie an jedem Morgen im Jahr. Nehme mir die Zeit. Endlos. Lange. Schauen. Und dann starte ich in den Tag ohne Google News, weil es mir nichts bringt. Weil es mich krank macht. Stattdessen segne ich mein Essen. Beobachte das Eichhörnchen im Garten. Buschige, flauschige Neugier springt von Baum zu Baum. Gott, gebe mir die Kraft, diese Klarheit und Fokussierung lange zu halten! |
Inés Witt
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