"Immer steigt im Geist ein großes Vertrauen,
eine starke Zuversicht auf, wenn eine Ordnung zutage tritt." (Johannes Kepler) Das Leben kann man sich unter anderem so vorstellen wie ein Theaterstück. Es gibt verschiedene Rollen. Unterschiedliche Charaktere. Und es gibt einen Regisseur. Auch einen Hauptakteur. Die Crux bei der ganzen Angelegenheit liegt in der Tatsache, dass jeder Mensch die Aufgabe hat eine doppelte Belastung zu tragen und dabei das Geschehen auch noch möglichst gut zu genießen als Weg. Der Mensch sollte Regie in seinem Dasein führen und er spielt die Hauptrolle. In Hollywood setzt mancher Schauspieler einen Traum um, wenn er eine gute Karriere hingelegt hat und sattelt um in das Metier Regie. Und nicht selten übernimmt er die Hauptrolle in seinem Film. Mir fällt jetzt spontan Clint Eastwood ein. Oder Robert Redford. Aber es soll hier nicht um Hollywood gehen. Mir ist noch eine andere Metapher eingefallen: Gehen wir davon aus, wir sind der Kapitän auf unserem Schiff. Wenn wir uns in unserer Kajüte verkriechen, tanzen die Mäuse auf dem Tisch und die Mannschaft vielleicht mit. Uns entgeht, wohin die Reise geht. Irgendwann wieder einsatzbereit tauchen wir auf der Kommandobrücke auf und sehen den Schlamassel: Chaos überall und kein Land in Sicht. So schön stilvolles, kreatives Durcheinander sein kann, so wichtig ist auch eine gewisse Übersicht. Je mehr ich in einer inneren Unordnung versinke, umso mehr schreit es in mir nach Aufgeräumtheit im Außen. Nicht schlecht, denn es hängt ja alles zusammen und die Gedanken beruhigen sich eher in einer sortierten Umgebung. Aber noch einmal zurück zum Theaterstück. Zu erforschen, nach welchen sichtbaren und unsichtbaren Gesetzen unser Leben bisher verlaufen ist, kann Licht in's Dunkle bringen. Ja, der rote Faden, da kommen wir nicht drumrum, uns den anzuschauen. Dieser rote Faden ist ein kniffliges Ding. Wir denken oft, er ist groß und breit, nicht zu übersehen. "Ich habe schon immer Engel gesehen. Dann durfte ich nicht. Aber jetzt sehe ich sie wieder. Und meine Praxis brummt. Außerdem schreibe ich an meinem zehnten Buch, kommt im Herbst raus." Der rote Faden kann sehr zart aussehen. "Ich war ein fröhliches Kind. Aber etwas hat mir die gute Laune ausgetrieben. Jetzt arbeite ich daran, ein selbstbestimmtes und dankbares Leben zu führen. Meine Aufgabe besteht möglicherweise darin, mir meine Lebensfreude zurück zu erobern." Zu banal? Ich weiß nicht. Alles ist relativ. Ich habe eine Ahnung von meinem roten Faden bekommen und das System dahinter angeschaut. Es geht ja nicht nur um mich. Es geht um meine Familie, es geht um fest eingebrannte Glaubenssätze, die sich über Generationen halten konnten. Es tut gut, zu wissen, dass alles einen Sinn hat. Dass es in Ordnung ist: So, wie es war. So, wie es ist. Und so, wie es sein wird. Vertrauen und innerer Frieden - überhaupt nicht banal. Jeder rote Faden ist sinnvoll. Jedes Leben ist wertvoll. Ein Schatz im großen Universum. Mögen wir dies erkennen... "Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen, Die Sonne stand zum Grusse der Planeten, Bist alsobald und fort und fort gediehen, Nach dem Gesetz, wonach du angetreten. So musst du sein, dir kannst du nicht entfliehen, So sagten schon Sibyllen, so Propheten; Und keine Zeit und keine Macht zerstückelt Geprägte Form, die lebend sich entwickelt." (Johann Wolfgang von Goethe) Sie weiß es nicht, wie und wann es anfing. Sagt sie.
Und sie weiß es ebenso wenig, wie und wann es aufhörte. Ihre Klasse hat sie ein Jahr lang "geschnitten". Was ist schon ein Jahr? Für einen jungen Menschen ist es seine Realität und sein auf eine gewisse Weise empfundenes "Für immer". Dieses "Schneiden", "Vermeiden" nennt man heutzutage Mobbing. Es gibt verschiede Arten von Mobbing, solches Verhalten gehört dazu. Aber Schneiden" ist anders, nicht wahr? Nicht so zerstörerisch wie Mobbing? Fragt sie. Nicht so schlimm? Irrtum! Sie war ein Kind, damals, wohl so zehn Jahre alt. Niemand sprach mit ihr. Darüber, dass sie geschnitten wurde, draußen war, allein. Dabei wollte sie einfach dazu gehören. Geliebt werden. Wie wir alle. Schneiden, was für ein Wort, was für ein Begriff... Schneiden tun sich manchmal Jugendliche. Dafür gibt es eine verniedlichende Bezeichnung, die ich hier lieber nicht verwende. Und ich gehe auch nicht näher darauf ein. Nur soviel: Wenn jemand sich schneidet, ob mit oder ohne Absicht (die meisten Unfälle geschehen in der Häuslichkeit) - schaue genau hin! Etwas steht der Person im Weg, oft sie selbst - oder es hat sich etwas zusammengebraut. Unsere Seele ist wie ein Vogelschwarm. Manchmal kommt ein Vögelchen abhanden. Es fehlt. Schmerzhaft. Wir sollten es retten. Das ist wichtig!!! Und wir sollten uns auch ebenso selbst retten. Wenn einschneidende Ereignisse in unser Leben treten, uns fragen, ob und woher uns die Situation bekannt vorkommt, wir uns an sie "erinnern". Wir dürfen dann (ich fordere nicht auf, ich lade ein) erkunden, wohin sich der verschreckte Vogel (weil evtl. Mobbing ihn vertrieben hat) sich versteckt hat und ihn fragen, was er braucht von uns, damit er zurückkehren kann zu unserem Seelenschwarm. Denn wir sind keine Vogelkinder mehr, wir sind erwachsene Vögel, gerne auch schräge, jedoch immer in der Lage, für uns selbst zu sorgen. Wer Hilfe braucht, sollte sie sich holen. Von professioneller Seite. Es gibt viele Menschen, die Unterstützung anbieten. Wer sucht, findet. Das Angebot ist groß. Ich habe das Gefühl, allein mit dem Einblick in das Thema "Geschnitten werden" eventuell einen Impuls zu geben an Menschen, die davon betroffen sind und dass es ihnen im besten Fall den Antrieb gibt, etwas anzuschauen, um aus einem Dilemma herauszufinden und heilsame Schritte in Angriff zu nehmen. Allein den Zusammenhang anzuerkennen zwischen "geschnitten werden" und "Schneiden" ist ein Heilweg. Mehr kann ich nicht tun. Auch meine Seele ist ein Vogelschwarm. Und meine Vögel sind weiß Gott nicht alle bei mir zu Hause. Die Tiefe sollte man achten. Die Verzweiflung sehen. Und die Hand reichen. Immer. Ich habe mir neulich den Lifestream einer von mir sehr geschätzten Künstlerin angeschaut.
Sie stellte eine Frage in den Raum und ich wusste die perfekte Antwort. Schnell schrieb ich das Zauberwort in den Chat. Sie erzählte weiter und weiter, scrollte sich durch die Kommentare, ging auf den einen oder anderen ein. Und... sie nannte genau das Zauberwort. Aber sie hat nicht mitbekommen, dass ich es schon erwähnt hatte. Ach ja, wie schade, dachte ich. Übersehen zu werden, nicht gehört. Irgendwie in der Masse zu verschwinden. Ein mir vertrautes Phänomen. Ach ja, wie schade. Wem geht das manchmal nicht ähnlich? Als ich kurz davor stand, meine CD zu veröffentlichen, sagten mir andere Menschen: "Was denkst du dir dabei? Es gibt schon so viele? Warum soll sich überhaupt jemand für deine Musik interessieren?", sie schauten mich an, als hätte ich den Verstand verloren. "Wenn ich nicht daran glauben würde, dass meine CD Wege finden wird zu den Leuten, dann hätte ich doch keine Chance, meinen Traum umzusetzen. Ich glaube einfach. Was heraus kommt, kommt." Die "Traumfänger" im kritischen Sinne hatten selbst eine CD aufgenommen. Argwöhnisch sahen sie mich an. War da Neid auf meine Unbedarftheit mit im Spiel? Meine damaligen Gesprächspartner wurden für ihren Geschmack zu wenig beachtet und geachtet. Mutmaßte ich. Ach ja, schade. Vor einer Woche ging es hier in meinem Blog um den Aal und die Spiritualität der Tiere. Eben habe ich gerade nachgeschaut, welche Bedeutung dem Aal als Krafttier beigemessen wird. Oh, da stand eine Menge im Internet. Was bei mir hängen blieb, waren die Themen Neid, Rückzug und Tarnung. Der Aal will nicht gesehen werden. Er durchlebt sogar eine Phase als durchsichtiger Aal, in welcher er als "Glasaal" bezeichnet wird. Die Unsichtbarkeit, das Verschwimmen mit all dem, was schon da ist, kann eine Gnade sein, weil sie vor Dingen schützt, die mich überfordern oder gar zerstören könnten. Werde ich gesehen, projiziert meine Umgebung Positives auf mich, aber auch Negatives. Kann ich das Negative aushalten? Warum ist der Aal in mein Leben geschwommen vor einigen Tagen? Worauf möchte er mich aufmerksam machen? Ich habe oft das Gefühl, ich habe eine Aura aus Glas. Durchsichtig, zerbrechlich. Manchmal denke ich auch an Luft oder ein Nichts. Dinge fließen durch mich hindurch. Oder lassen mich zerspringen. Das, was mir verloren geht durch die Unsichtbarkeit, wiegt wenig im Vergleich zu dem goldenen Mantel, den sie mir schenkt. Die Unsichtbarkeit ist nichts "Schlechtes". Als Glasaal lerne ich meine Ressourcen achtsam einzuschätzen und auf meine Intuition zu hören. Als Glasfalter weiß ich, dass ich fliegen lernen kann und mir während dieser Phase eine Tarnkappe zur Verfügung steht. Als gläserne Frau achte ich auf meine Gedanken, Gefühle, höre hin, was sie mir vermitteln wollen. Wo besteht Änderungsbedarf? Denn ich könnte zerfallen in Tausend Einzelteile. Das weiß ich als gläsernes Wesen. Somit schwimme ich gern mit dem Aal, lasse die Metamorphosen zu und erkenne die Geschenke, die mir eine gewisse Unsichtbarkeit in den Schoß legt. Ein Baum wächst nicht über Nacht. Gar nicht schade. Ich habe Zeit. Wie viel, weiß ich nicht. Aber ich bin mir sicher, dass es reichen wird. Um die zu werden, die ich im Tiefsten meine Seele schon seit Ewigkeiten bin. Das ist jetzt ein etwas heikles Thema.
Warum? Weil es schwierig ist, einzuschätzen, was spirituell ist und was nicht. Weil es schwierig ist, zu sagen, ob Spiritualität per se überhaupt "gut" ist. Was sind das für Fragen... Nach meiner Meinung ist jedes Wesen spirituell. Jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze, jedes Wesen. Es bedeutet nicht, Yoga zu praktizieren, zu räuchern und Mantras zu rezitieren. Kann es, muss es nicht. Möglich, dass es darauf ankommt, einfach zu sein. Und auf uns Menschen bezogen, ein liebender Mensch zu sein. Unsere Hündin ist eine wahre Lehrmeisterin. Wenn sie draußen ist, wird sie aktiv. Sie nimmt die Umwelt mit allen Sinnen auf und verliert sich im Hier und Jetzt. Ja, sie verschmilzt regelrecht mit dem Universum. Kaum zu Hause angekommen, fällt sie um und schläft ein. Es gibt nichts zu tun. Für sie. Auf dem Foto oben ist auch eine Katze zu sehen. Im Hintergrund, etwas mystisch. Dass Katzen Zenmeister sind, ist fast überflüssig zu erwähnen. Ach, und die Schnecke? Was ist das für ein Wunder? Ästhetische Langsamkeit, Verletzlichkeit unterwegs - stets mit einem kleinen Schloss auf dem Rücken. Eine unorthodoxe Prinzessin, oder Königin. Oder oder... Nebenberuflich Architektin. So und nun kommen wir zu den Aalen. Ich lese gerade das Buch "Das Evangelium der Aale" von Patrik Svensson. Es beginnt mit einem Spruch: "Later in the same fields He stood at night when eels Moved through the grass like hatched fears" (Seamus Heaney) "Später in den gleichen Feldern Er stand nachts als sich die Aale wie ausgebrütete Ängste durch das Gras bewegten" Was habe ich mir nun angelesen? Et voilà: Allein die Geburt der Aale galt lange als Rätsel. Inzwischen weiss man, dass die europäischen Aale im Frühling im nordwestlichen Atlantik, genauer gesagt: in der Saragossasee, laichen, ihre Eier ablegen und diese befruchten. Irgendwann schlüpft eine winzige durchsichtige Larve, die sich auf eine weite Reise begibt. Wenn sie an der europäischen Küste ankommt, ist sie inzwischen zu einem Glasaal herangewachsen. Zu einem gläsernen Aal. Später geht die Wanderung gen Süßwasser und dann färbt sich der Aal zu einem Gelbaal. Dieser zieht weiter durch Flüsse und Bäche, aber auch über Wiesen hinweg... Wer hätte das gedacht, daher am Anfang das Zitat von Seamus Heaney. Ein Fisch, der sich über das Festland bewegen kann. Ein Tier, das Fisch ist, aber auch Schlange. Auf eine gewisse Art. Besonders faszinierend ist dann Folgendes: Er beschließt eines Tages, angekommen zu sein und bleibt viele Jahre an einem Standort. Fünfzehn bis dreißig Jahre lebt der Aal als Eremit. Bis er plötzlich beschließt, dass die Zeit gekommen ist, sich fortzupflanzen. Dann wechselt er ein viertes Mal sein Äußeres, wird zum Blankaal und zieht wieder in den Atlantik heraus. Und als interessante Krönung der Entwicklung dieses fabelhaften Tieres: Während der letzten Etappe löst sich der Verdauungsapparat des Aales auf und seine Geschlechtsorgane bilden sich erst jetzt heraus. Ich dachte immer, Frösche machen die eindrucksvollste Metamorphose durch. Nein, der Aal lässt in meinen Augen die Zustände von Materie und Nichtmaterie miteinander fusionieren. Was nicht gebraucht wird, verschwindet. Und um seinen Lebenssinn zu erfüllen, sich zu erhalten in seiner Art, erschafft er in seinem Leib die Vorraussetzungen dafür. Er findet sich erneut in der Saragossasee ein und der Kreis schließt sich. Eine wahre Heldenreise endet und beginnt im selben Augenblick. Mit menschlichen Augenmaß betrachtet ist der Aal ein sehr spiritueller Fisch. Und wie gesagt, er hat Eigenschaften eines Fisches und die einer Schlange. Aber er ist Fisch, er wurde von den Wissenschaftlern so eingeordnet im Reich der Tiere. Wenn ich solche Geschichten lese, vergeht mir echt der Appetit auf Aal. Was dazu führt, dass ich noch mehr keine Tiere essen mag. Und selbstverständlich erfülle ich damit ein wichtiges, landläufiges Kriterium des sogenannten spirituellen Menschen. Hmm. Ein wenig Selbstironie. Denn nach meiner Meinung ist jedes Wesen spirituell. Jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze, jedes Wesen. Aber der Aal besonders. "Later in the same fields..." |
Inés Witt
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