Noch vor Sonnenaufgang bin ich zum Bahnhof geeilt. Mein Zug startete früh.
Unterwegs trat ich in einen Hundehaufen. So ein Mist, das Ganze fing ja gut an. Auf dem Bahnsteig wuchs Gott sei Dank hohes Gras, kein Geld für die Pflege der Bahnsteige. Meine Rettung. Ich säuberte meine Schuhe, schließlich wollte ich ja nicht im Waggon die Leute gegen mich aufbringen bzw. das Personal verärgern. Ich nahm Platz, am Fenster. Der Sitz neben mir blieb leer. Es war überhaupt ziemlich übersichtlich. Es befanden sich nicht viele Menschen in meiner Gesellschaft. Das war mir recht angenehm. Denn, manche Streckenabschnitte verschlief ich schlicht. Besonders zu Beginn meiner Reise war ich müde, das lag am frühen Aufstehen und dem Gehetze zum Bahnhof. Zwischendurch driftete ich in Erinnerungen ab an mein Leben vor meiner Reise. Ich lief über Wiesen. Wurde erwachsen. Hatte einen Beruf nach der Schulmühle. Ich hatte eine liebevolle Familie. Coole Freunde. Tolle und weniger tolle Begegnungen. Tiere hatten mein Dasein bereichert. Immer weiter. Es gab auch hier auf der Bahnstrecke sehr bewusste Momente. Ich hörte Musik und las einige Bücher. Durchblätterte das Magazin der Deutschen Bahn, welches ich schnell wieder zur Seite legte. Leute stiegen ein, blieben eine Weile und eilten auf irgendwelchen Bahnhöfen zu ihren Anschlusszügen. Oder sie waren schon am Ziel angekommen. Stromleitungen begleiteten meine Fahrt, mal kreuzten sie sich um sich dann wieder voneinander zu verabschieden. Immer weiter. Landschaften, Städte, Dörfer, verlassene und belebte Stationen huschten vorbei. Zweimal überquerten wir breite Flüsse. Kleine Boote in der Ferne. Die Aussicht war zeitweise herrlich. Ab und zu ging mir jedoch durch den Kopf: "Also, hier ist es gar nicht nett." Immer weiter. Als es sehr voll im Zug wurde, setzte sich eine Frau auf den Platz neben mir. Sah ich in ihren Augen Angst? Ich war mir nicht sicher. Irgendwann stieg sie mit einem knappen "Tschö!" aus. Selbst die Worte werden passend zum Zeitgeist kürzer. Muss ja alles schnell gehen. Immer weiter. Viele Tiere sah ich. Die Kraniche während ihrer Rast auf einem Feld oder am Himmel kreisend, Rehe, Schafe, Pferde. Einmal zeigte sich kurz ein Fuchs. Da war ich schon erstaunt. Der Fuchs bedeutet Wachsamkeit und List, dass man immer einen Weg findet, egal wie schwierig sich die Dinge gestalten. Ich musste innerlich mit einem bitteren Beigeschmack auflachen. Denn mein Weg stand fest. Es ging von A nach B. Unaufhaltsam. Immer weiter. Der Zug war mein Leben und ich als Wesen in ihm gefangen. Der Entschluss in A einzusteigen war sozusagen mein Kommitment gewesen. Aus freiem Willen. Jetzt gab es nur noch die Option von A nach B. Wenn ich den Wunsch nach Bewegung verspüren sollte, konnte ich die Waggons ablaufen. Bei Hunger ins Bistro gehen. War mir nach Kommunikation zumute, standen mir die Mitreisenden oder mein Handy zur Verfügung. Wir fuhren und fuhren. Durchquerten so manchen Tunnel. Danach kam wieder Licht, sonnig oder bewölkt, teilweise mit Regen vermischt. Ein kurzes Gewitter brachte Abwechslung und etwas Drama. Besonders schöne Sonnenstrahlen folgten. Immer weiter. Irgendwann, das wusste ich die gesamte Zeit über, würden wir in einen Tunnel fahren, der kein Ende nimmt. Irgendwann, das wusste ich die gesamte Zeit über, würde nach der Dunkelheit keine Helligkeit uns erlösen. Es wird zu Ende und wir in B angekommen sein. Ganz, wie es auf meiner Fahrkarte geschrieben stand: Abfahrt A, Ankunft B. Verspätung und Umleitungen nicht ausgeschlossen. Zu einem guten Gespräch gehören auch die Pausen.
Wer nie zuhört, erfährt wenig von seinem Gegenüber. Immer auf der Überholspur zu fahren bringt oft Ungemach. Wie gut lässt es sich reden bei einem Spaziergang am Strand. Diese Weite, die Wellen, Himmel und Strand lassen Raum für Gedankengänge, Austausch in einer entspannten Atmosphäre. In jedem Team gibt es Starke und weniger Starke. Die Zugpferde inspirieren, machen etwas Dampf. Die Langsamen entschleunigen, sorgen dafür, dass die Leute das Ganze ruhiger angehen lassen, auch mal innehalten. Die "Schwachen" erzwingen manche Pause, die aber letztendlich für alle Beteiligten heilsam ist. Hier beschreibe ich einen Idealzustand. Es gibt natürlich auch Bremser und Diven, die für Stillstand bzw. Chaos sorgen. Dieses Szenario wollte ich aber nicht beschreiben. Wenn es dich packt, lasse deinen Flow nicht verpuffen im Nirvana des Irgendwann'. Denn "Irgendwann" ist der Name der Züge, die niemals abfahren. Es gibt sie, diese Plattform, den Bahnsteig der gestorbenen Träume. Ich war dort - eine Zeit lang. Graue Gestalten stapeln sich, sie winken: "Sei willkommen im Tal der Hoffnungslosigkeit und Sinnentleertheit!" Dorthin will niemand. Das ist nicht die Pause, die ich meinte. Das ist das Pendant zum Leben: die Erstarrung. Die Pause, die ich meinte, ist das Ausruhen; ich denke an die Vier der Schwerter im Tarot. Die Pause, die ich meinte, ist das Annehmen von dem, was ist, die Akzeptanz, ein "Wir kämpfen nicht." Ich jedenfalls werde nicht "kämpfen", jedoch dankbar sein für jede Chance, die mir zuflüstert: "Komm' zurück auf die Bühne, bleib' am Ball, sing' dein Lied!" Und ich bin es selbst, die dir zuflüstert: "Komm' zurück auf deine Bühne, bleib' am Ball, sing' dein Lied!" Liebe Pause, ich verneige mich vor dir. Lieber Zufall, ich danke dir. Lieber Gott, dein Wille geschehe. PS: Dieser Text war eigentlich ein anderer, bzw. sein Ende war zuversichtlich, mit einem Ziel, einem Datum gesegnet. Jedoch, kaum stand der Termin fest, ereilten mich Krankheiten und Beschwerden vielfältiger Natur. Der Arzt sagte: Nein! Körper und Seele sagten: Nein! So musste ich einen Traum begraben in der Hoffnung auf Gesundung. Und es ist nicht auszuschließen, dass ich auf dem Bahnsteig der gestorbenen Träume strande und dann eben von dort aus meine Geschichten erzähle... noch ein PS: Der Text ist entstanden, bevor durch die Krise unsere Zeit auf eine gewisse Weise angehalten wurde. Pause im öffentlichen Raum. Mögen wir gut hinhören und fühlen, was für uns hilfreich ist. Mögen wir gut auf unsere Intuition, auf die Gemeinschaft, die Natur, die Tiere und auf Mutter Erde achten. Jetzt. Und auch nach dieser Herausforderung. Das, was ich jetzt erzähle, sollte nicht ganz für bare Münze genommen werden.
Dennoch haben die Dinge sich in etwa so zugetragen. Wer eine Ratten- und Mäusephobie hat, sollte diese Geschichte lieber nicht lesen!! Denn ich konnte die Ereignisse nur so gut händeln, weil ich die meisten Tiere liebe, auch eben Ratten und Mäuse. Ich bin der Typ Frau, der sich eher kaputt lacht, wenn eine Maus aus dem Nichts auftaucht. Also, ich springe dann nicht wie im Film auf den Tisch und rufe um Hilfe. Mich erschrecken ganz andere Dinge... Wir leben in einer ausgebauten 140 Jahre alten Doppelhaus-Hälfte. Als wir dort in den 80er Jahren eingezogen, war alles so sehr provisorisch, dass der Abschnittsbevollmächtigte mutmaßte, wir würden sowieso bald in die BRD ausreisen. Unser WC befand sich unter einer Art Hühnerleiter im Flur, die zum Dachboden führte. Mehrmals huschte ein Mäuslein durch dieses winzige Etwas von einem Raum, während ich dort auf dem Klo saß. Die Maus kam, sah und verschwand jedesmal blitzschnell. Kein Grund, sich Sorgen zu machen. Während der Umbauarbeiten wurden Rohre für Wasser und Abwasser neu verlegt. Da die teilweise noch nicht angeschlossen waren, ragten sie etwa 20 cm aus dem Fußboden. Um beim Provisorischen zu bleiben, diese Rohrenden waren mit alten Müllsäcken aus Plastik verschlossen. Man musste ja nehmen, was zur einem zur Verfügung stand. Nun passierte eines Tages Folgendes: Die Ratten aus der Kanalisation, ja, gewissermaßen die Kanalratten , fraßen sich da einfach durch. Die Aussicht auf Nahrhaftes und etwas Wärme hatte sie angelockt und nun flitzten neben den Mäusen auch Ratten durch unser neues Domizil. Das waren harte Zeiten, sage ich euch. Jedoch wir waren jung und konnten einiges ab. Jetzt aber hat eine Ratte echt den Vogel abgeschossen. Wir haben nämlich immer noch ein Rohrproblem. Aus einem ursprünglich neben dem Schlafzimmer geplanten Zweitbad im oberen Stockwerk wurde ein begehbarer Schrank. Wir hatten es nicht so dicke. Und der Stauraum hat sich sehr bewährt. Kurzum, in diesem Mini-Schrank-Zimmer gibt es wieder, genau richtig geraten, Rohrenden, die nicht ganz fachgerecht verschlossen waren. Und die ... An jenem Abend war ich viel eher als sonst schlafen gegangen. Mit einer Wärmflasche. Mein Mann musste noch etwas vorbereiten für die Arbeit und war aufgeblieben. Lange aufgeblieben. Vielleicht zu lange aufgeblieben... Ich schlief gut ein, drehte mich mal in die eine und die andere Richtung. Irgendwann, so im Halbschlaf, griff ich nach der zur Seite gerollten Wärmflasche und drückte sie mir an den Bauch und ... ... sie quiekte und sie fasste sich sehr merkwürdig an... wie ein hartes Plüschtier. Huch!! Sofort war ich hellwach, machte das Licht an und schrie wild umher. Diese Aktion war mir nun doch zu dicht. Die Ratte flüchtete aus dem kuschligen Bett und war genauso erschrocken wie ich. Das arme Tier. Wegen dem Zeter und Mordio kam mein Mann, öffnete die Tür und die Ratte raste runter in das Badezimmer im Erdgeschoss. Nebenan in der Küche jaulte unsere Amy wie ein Wolf. Die Nachbarn lieben uns noch immer... Es war eine denkwürdige Nacht. Das Tier aus der Unterwelt wollte sich nicht vertreiben lassen und fauchte und fletschte die Zähne. Mein Mann hatte sich vorgenommen, mit Hilfe eines Besens das Ganze unverletzt aufzulösen. Die Ratte biss sich voller Wut und Verzweiflung in dem hölzernen Hilfsmittel fest. Letztendlich wurde der Feger samt Ratte auf unserer Auffahrt deponiert. Meine bessere Hälfte hat sich anschließend um die Eintrittspforte des ungebetenen Gastes gekümmert. Mein Job war es, unsere Hündin mit ein paar Leckerli über die verpasste wilde Jagd hinweg zu trösten. Am nächsten Morgen wurde der Besen wieder in den Haushalt integriert. Die Ratte hat ihn zum Glück nicht als Trophäe mitgenommen. Ja, so ist das mit der alten Bausubstanz und dem ganzen Firlefanz. Man bekommt Stoff für die absurdesten Spukballaden und muss sich ein dickes - ähm - Fell wachsen lassen. Haach, wenn es kalt ist, ich liebe meine Wärmflasche, nach wie vor. Wir schlafen gut und träumen süß. Und Mäuse gibt es nur noch im Schuppen. Kein Grund, sich Sorgen zu machen... Man kann vom Bergsteigen halten, was man will.
Ich bin aus dem Norden, da gibt es keine Berge. Als Jugendliche war ich in Rumänien im Retezat-Gebirge und bei der ersten Gratwanderung sagte ich zu den anderen, dass ich lieber zurück zu unseren Zelten umkehre. So habe ich es auch getan, den Tag lieber an einem Gebirgssee gechillt und Bergziegen beobachtet. Allein in diese Region zu kommen, hatte mich mehrmals an meine Grenzen gebracht. Einmal bin ich am Hang kleben geblieben, eine Person mit viel Kraft musste mich "retten". Es gab auch Tage, da lief ich die Hänge hoch wie von Gott getragen, es ging leicht, aber das waren Ausnahmen. Es war ein großes Abenteuer für mich und ich habe solche herausfordernden Aktionen nicht wiederholt. Immer gerne wieder wandern, aber nicht so krass, so lange und mit so viel Gepäck auf dem Rücken. Ganz im Gegensatz zu Helga Hengge, der Autorin von "Seven Summits". Sie hat sich vorgenommen den jeweils höchsten Berg eines jeden Kontinents zu erklimmen, dafür hart trainiert und das Ganze durchgezogen. Also in keinster Weise zu vergleichen mit meinem Trip. Nun möchte ich einiges aus ihrem Buch "Seven Summits" zitieren, denn sie beschreibt Verhaltensweisen von Menschen, die mich zum Beispiel absolut "zerstört" und entmutigt hätten. So haben einige hartgesottene Bergsteiger sie Barbie genannt. Das ist schon blöd, aber noch heftiger waren die Worte eines anderen Kollegen am Mount Everest, die er zum Abschied an sie richtete - oder besser gesagt - auf sie gerichtet hat: "Wenn du es zum Gipfel schaffst, dann gebe ich das Bergsteigen auf." Vorher hatte er, dessen Gipfelsturm nicht von Erfolg gekrönt war, sich über ein amerikanisches Team ausgelassen: "Wenn diese Clowns da alle raufsteigen, was bedeutet der Everest dann noch. Das ist doch ein einziger Affenzirkus hier. Mir langt's." Dass er Helga Hengge auch zu diesen "Clowns" zählte, stand sowieso im Raum und dann: "Wenn DU es zum Gipfel schaffst, dann gebe ICH das Bergsteigen auf." Das ist so, als würde mir eine Person vermitteln , wenn so ein Volltrottel wie ich in der Lage ist, einen Blog zu schreiben, wird er nie wieder in seinem Leben irgendeinen Text verfassen. Oder wenn so eine Tussi wie ich Auto fahren kann, wird er sich nicht mehr an's Steuer setzen. Dieses Runtermachen lässt sich beliebig fortsetzen. Leider. Und es passiert ja auch. Wieso Menschen das tun, ist mir unbegreiflich, obwohl sich fast immer eine "Erklärung" dafür finden lässt. Um das Ganze positiv abzuschließen hier die weisen Worte eines Sherpas: "Weißt du Helga, du musst dir keine Sorgen machen, Chomolungma ( dies ist der ursprüngliche Name vom Mount Everest, Anm. von mir ) hat uns den Sturm geschickt, weil sie gemerkt hat, dass wir nicht mehr stark genug sind, damit wir Zeit haben, uns auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen. Und wenn sie merkt, dass wir soweit sind, dann wird sie uns die Sonne schicken, und dann werden wir mit Leichtigkeit aufbrechen und zum Gipfel aufsteigen." Das ist das Besondere an dem Buch "Seven Summits": es entführt einen auf eine philosophische, ganzheitliche, nahezu magische Art und Weise in den Kosmos des Extrembergsteigens. "Seven Summits" inspiriert, macht Mut, lässt den Horizont unendlich werden und seinen Leser weiser zurückkehren in das ganz alltägliche Leben mit seinen Herausforderungen, Hürden, Zaubermomenten, Engeln und Hoffnungsräubern. Ich hoffe, dass das auch bei mir funktioniert... |
Inés Witt
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