Marlene hatte IHN getroffen. Endlich. Nun stand es fest. Sie ging jetzt nicht mehr zur Schule. Fortan hatte sie Wichtigeres zu tun: ihre Zukunft planen und die hauptsächlichen Grundsteine legen. Natürlich verließ sie jeden Morgen weiterhin das Elternhaus pünktlich. Stadtpark, nachdenken, Enten füttern. Irgendwann war das zu wenig. Sie begann die Enten zu zeichnen. Anfangs gelang ihr das nicht besonders gut, aber nach und nach wurden die Enten immer besser. Herr und Frau Kessel waren schwer beeindruckt, was die jungen Leute im Kunstunterricht zu Wege brachten. Gute professionelle Anleitung ist eben das A und O.
Mit Robert blieb Marlene in Verbindung, freundschaftlich. Er legte enormen Wert darauf, dass sie lediglich gute Freunde waren. Sie wäre ihm zu jung. Er sei noch nicht über Lucienne hinweg. Usw. und so fort. Nun gut, sie hatte Zeit. Der Sommer kam. Dann der Supergau zu Hause, als ihre Eltern realisiert hatten, dass es kein Abitur gab. Was macht man mit einem Scherbenhaufen? Heulen und den Kram beseitigen. Wieder heulen. Und auseinander gehen. Die erwachsene Tochter zog aus mit der Auflage, sich um einen Ausbildungsplatz zu kümmern. „Ist das kla- har???!!!“ Marlene bekam etwas Taschen- und Kostgeld. Die Miete bezahlten ihre Eltern. Sie zog in eine Wohnung, die den Namen eigentlich gar nicht verdient hatte. Aber Wohnungen waren knapp. Ein Wunder, dass es überhaupt geklappt hatte, innerhalb kurzer Zeit eine Bleibe für die missratene Tochter zu finden. Und ein Resultat vom Vorhandensein einer beachtlichen Menge Vitamin B. Robert hatte ab und zu eine Freundin. Eine richtige. Aber diese Verbindungen standen wohl unter keinem günstigen Stern. Sehr zur Freude von Marlene. Sie begann mit knapp neunzehn Jahren eine Ausbildung zur Bürokauffrau. Irgendetwas Vernünftiges musste sie ja machen, sonst wären ihr die Eltern aufs Dach gestiegen. Marlene hatte einen Plan und sie arbeitete ihn ab wie ein Schweizer Uhrwerk . Ihr langer Atem machte sich bezahlt, als Freundin Nummer Drei entschwunden war. Robert und Marlene gingen tanzen. Tanz in den Mai. Schönes Wetter, laue Nacht, leichte hoffnungsvolle Atmosphäre, der zauberhafte Nachthimmel... Endlich wurden die beiden ein Paar. Sie zog ein in die Männer-WG und wirbelte alles durcheinander. Es war wie Frau auf Schiff. Ging gar nicht. Am Ende wohnten nur noch Marlene und Robert in der Dachwohnung. Und Robert war um drei Freunde ärmer. Sie teilten die Zimmer auf. Eins für Robert, eins für Marlene. Sie hatten keinen Bock auf diese Wohn- und Schlafzimmerspießigkeit. Mit der Zeit wurden sie ein eingespieltes Team. Das Studium lief gut, die Ausbildung genauso. Keine Partys, keine Versuchungen. Sie lebten in ihrer Welt und fühlten sich wie Passagiere in einem Zug, der sich stetig und sicher seinem vorherbestimmten Ziel nähert. Marlene konnte sich entspannt zurücklehnen. Sie kramte ihre Entenzeichnungen hervor und bekam wieder Lust zu malen. „Was meinst du, wollen wir uns eine Katze aus dem Tierheim holen?“ Zuerst dachte er, sich verhört zu haben. „Wie bitte?“ „Ich möchte eine Katze haben.“ „Du kümmerst dich?“ „Na klar!“ „Nur zu. Ich habe nichts gegen Katzen.“ Später sollte sich das allerdings ändern. Als aus einer Katze eine Katzenfamilie geworden war. Lulu war ein geduldiges Modell. Besonders nach dem Fressen. Lulu, eine schöne weiße Katzendame im fortgeschrittenen Alter, schnarchte allerdings furchtbar laut. Und das hatte viele Leute davon abgehalten, sie langfristig zu behalten. Marlene war eine empfindliche junge Frau, aber sie hatte einen gesegneten Schlaf. „Das wird Probleme geben, wenn sie mal Mutter wird“, war der Kommentar ihrer Mutter dazu gewesen. Anstatt sich für das Mädchen zu freuen. Als Lulu anderthalb Jahre später an Altersschwäche verstarb, war Marlene mit ihrer Berufsausbildung fertig und stolze Besitzerin unzähliger Skizzen und Zeichnungen, die Lulu in allen möglichen Positionen darstellten. Kurz nachdem sie Lulu beerdigt hatten, kam der Mauerfall. Er berührte Marlene und Robert kaum. Ihr Zug wäre auch so weiter gefahren. Das war eine für junge Leute absolut untypische Einstellung. Die letzten Freunde gingen auf Abstand. Auch das nahmen sie nur am Rande wahr. Robert schloss sein Studium erfolgreich ab und bekam eine gut bezahlte Stelle in einer renommierten Anwaltskanzlei. Es folgte der Umzug in eine größere Wohnung. Marlene kam sich wie im Paradies vor. Die Wohnung erstreckte sich über die gesamte untere Etage einer Villa in der beliebten Bahnhofsgegend. Man hätte auf dem Flur Rollschuh laufen können. Oder Boccia spielen. Eine breite Treppe führte von der Küche in den Garten. Der war leicht verwildert, aber dafür so märchenhaft. „Haach, endlich wieder Prinzessin!“ Zu einer Prinzessin gehörte eine Traumhochzeit. Marlene kaufte sich einen Traum in Weiß. Einen teuren Traum. Dazu passten ihre leicht ergrauten Haare eigentlich gar nicht. Ihre Augen jedoch glichen alles aus. Und die Art, wie sie sich bewegte. Robert wirkte etwas blass neben ihr. Aber das war schon in Ordnung. Er sollte der schönen Braut ja schließlich nicht die Show stehlen. Sie feierten im kleinen Kreis bei sich zu Hause im Garten mit einigen Verwandten und Nachbarn. Marlenes Eltern kamen kurz zum Gratulieren, sie konnten ihr das geplatzte Abitur einfach nicht verzeihen. Auch die Eltern von Robert schauten nur flüchtig vorbei, sie waren mit Roberts Wahl unzufrieden. Nächste Woche geht es weiter.... mit den Flitterwochen Sie ließ die Fotografen einfach auf der Straße stehen. Die Treppe runter zu ihrer Souterrain-Wohnung, Tür zu und erst einmal tief durchatmen.
Der schöne Alexander erwartete sie schon. „Na, war’s so schlimm?“, er stellte sich hinter sie, löste ihre kunstvolle Hochsteckfrisur und fing an ihr den Kopf zu massieren. Dabei summte er „Katrin malt mit Wasserfarben“, ein Lied von Gerhard Schöne. Er hatte eine Schwäche für diesen Liedermacher aus DDR-Zeiten. Das konnte man ihm nicht abgewöhnen. Er mochte besonders die Kinderlieder, vielleicht weil er selbst noch wie ein Kind war. Sie kannte Alexander jetzt vier Jahre. Er war ihr bester Freund. Gemeinsam gingen sie zur Tanzschule. Marlene war ein Tanztalent und Alexander hatte ihr Mut gemacht, mit dem Tanzen Geld zu verdienen. Obwohl Marlene und Alexander als Flamenco-Paar Erfolg hatten, richtete sich das Interesse der Fotografen am meisten auf Marlene. Sie war sehr fotogen. Noch fotogener als Alexander. „Dass alles immer so extrem sein muss in meinem Leben“, beklagte sich Marlene, „Von ganz oben nach ganz unten und nun wieder ganz nach oben und dann noch gleich fast berühmt.“ Alexander unterbrach die Massage. „Willst du zurück? Soll ich dir deine Haare wieder grau färben?“ Er war nicht nur ihr bester Freund, er war auch ihr Friseur. „Nö!“ Sie sah aus dem Fenster. Genau gegenüber auf der anderen Straßenseite war die Praxis von Frau Dr. Pfennig. Dort hatte sie bis vor einer Woche gearbeitet. Als Mädchen für alles. Es hatte Spaß gemacht. Dachte sie. Bis sie anfing mit den Instrumenten zu reden, die sie aus dem Steri holte. Die Ärztin war ständig am Hetzen von einem Behandlungszimmer in das nächste. Es gab vier Behandlungszimmer um möglichst effizient arbeiten zu können. Und zwei Schwestern, die ausschließlich miteinander redeten und sie nur „unsere graue Maus“ nannten. Damals hatte Marlene noch graue Haare getragen, alles Natur. Nach der Scheidung von ihrem Mann hatte sie beschlossen, jeden großen Aufwand wie Friseurbesuche, Kosmetik, Schminken sofort bleiben zu lassen. Es war ja eh verlorene Liebesmüh gewesen. Ihr Mann hatte sie verlassen trotz ihrer schönen gefärbten Haare und ihrer schlanken Figur, die sie sich dank Dauerdiät und Sportstudio erhalten hatte. Sie war in diese Souterrainwohnung gezogen und hatte angefangen bei Frau Dr. Pfennig zu arbeiten. In die Wohnung hatte sie sich sofort verliebt. Ein schönes Loch zum Verkriechen und direkt gegenüber der Arztpraxis. Marlene hatte sich ihr Leben neu eingerichtet. Das einzige, was zählte, war Vernunft. Das einzige, auf das man sich verlassen konnte, war Vernunft. Alle anderen Aspekte klammerte sie aus. Die Kindheit von Marlene Kessel konnte man als schön bezeichnen. Ihre Eltern, ein Anwaltsehepaar, bewohnten eine ansehnliche Villa am Stadtrand. In unmittelbarer Nähe befanden sich ein schöner großer Spielplatz und der Kindergarten, in dem Marlene fast ihre gesamte Kindheit verbrachte. Ihre Eltern waren beide durchgehend berufstätig. Marlene, ein sehr hübsches, pflegeleichtes Kind mit schwarze Locken, blauen Knopfaugen, immer schick angezogen, war der absolute Liebling der Kindergärtnerinnen. Das ging an der Schule so weiter. Stets gute Noten. Sie hatte viele Freunde. Es gab keinen Tag, an dem sie schlechte Laune hatte. Das Leben war eine bunte Spielwiese, ihr begegneten nur nette Menschen und sie war eine Prinzessin, der die Liebe und Zuneigung ihrer Umgebung nur so zuflogen. Die ersten grauen Schatten begannen sich über ihr Leben zu legen, als sie siebzehn Jahre alt war. Marlene ging auf die EOS. So hießen in der DDR die Gymnasien: Erweiterte Oberschule. Hatte sie bis zur achten Klasse alles mehr oder weniger in der Schule mit links gemacht, gehörte diese Leichtigkeit des Seins und des Lernens seit der neunten Klasse der Vergangenheit an. Der Schulstoff war anspruchsvoller, das Tempo, das die Lehrer vorgaben, war ein schnelleres. Marlene kam schlecht mit und in der elften Klasse war sie nur noch am Mitschwimmen. Das machte sie mutlos und sie fing damit an, Hausaufgaben Hausaufgaben sein zu lassen. .Sie suchte sich ihre Betätigungs- und Bestätigungsfelder außerhalb der Schule. Sie schwänzte den Unterricht, ging lieber in den Stadtpark und verfütterte ihr Schulbrot an die Enten. Sie fand sich eh zu fett. Ihre weiblichen Rundungen mochte sie gar nicht. In ihren schwarzen Locken schimmerte vorn eine graue Strähne. Erst war es nur ein graues Haar gewesen. Später war die Veränderung nicht mehr zu übersehen. Ihre Mitschüler dachten, sie wolle sich interessant machen und hätte die graue Strähne selbst gefärbt. Als Zeichen ihrer Weisheit sozusagen. Sehr witzig. „Wenn die wüssten!“, ärgerte sich Marlene, „ Es ist doch so: Ehne mehne Muh und ab bist du!“ Sie war eine stille und schlechte Schülerin. Aus jeder möglichen Diskussion hielt sie sich raus. Sie kam sich in letzter Zeit so dumm vor. Und sie hatte keine Traube Freunde mehr um sich. Langsam aber sicher war sie zu einer einsamen Jugendlichen mutiert. Dass Marlene Probleme in der Schule hatte, bekamen ihre Eltern nicht mit. Sie waren es gewöhnt, dass bei ihrer Tochter alles wie geschmiert lief. Wenn andere Leute sie fragten, antworteten ihre Eltern stets: „Alles in bester Ordnung. Unsere große Tochter geht ihre eigenen Wege.“ Wie sehr eigen diese Wege waren, ahnten Frau und Herr Kessel erst, als es kein Zurück mehr gab. Da hatte Marlene schon längst ihren Mister Untergang kennen gelernt und beschlossen, das Abitur sausen zu lassen. Marlene Kessel und Robert Holtz begegneten sich das erste Mal im Stadtpark. Robert, Jurastudent im dritten Semester saß auf einer Parkbank und weinte schon seit Stunden. „Lucienne!“, schluchzte er, „Lucienne, das geht nicht! Lucienne!“ Seine Augen waren rot und verquollen, sein ganzes Gesicht nass, die blonden Haare standen wirr in alle Richtungen ab. Es war ein Anblick, der Marlene erschütterte. Sie hatte noch nie einen erwachsenen Mann so hilflos und in Tränen aufgelöst erlebt. Höchstens im Film. Aber nicht in der Realität. Robert zitterte, seine Schultern bebten. Er nahm Marlene gar nicht wahr. Das fand sie im ersten Moment gut. Sie fixierte einen großen Baum am Rande des Parks. So hatte sie diese bemitleidenswerte Kreatur im Blick, ohne dass das Ganze zu aufdringlich wirkte. Und während dessen überlegte sie fieberhaft, wie sie sich ihm am besten nähern konnte. Der Mann brauchte Hilfe. Sie war allein. Eine solche Gelegenheit kam bestimmt nicht alle Tage... Es war schon am frühen Morgen unerträglich warm. Die Sonne schien grell in Roberts Zimmer. Er bewohnte damals mit drei anderen Studenten eine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung unterm Dach. Am Anfang nannten sie es ihren Adlerhorst. Inzwischen nahmen Robert und seine Mitbewohner diese Bezeichnung nicht mehr in den Mund. Sie hatte für große Heiterkeit bei einigen Studentinnen gesorgt. „Tolle Adler oder eher Pleitegeier? Oder gerupfte Gockel?“ Nun ja, sie waren nicht solche Typen, auf welche die Frauen standen. An diesem Morgen riss aber nicht die Hitze Robert aus seinem Schlaf. Da war so ein merkwürdiges Spannungsgefühl in seinen Beinen. Mühsam schraubte er sich aus seinem nassgeschwitzten Bett hoch. „Die Semesterferien beginnen ja klasse.“ Jetzt spannte es nicht, jetzt tat es höllisch weh. „Eine kalte Dusche, dann wird’s besser.“ Robert schleppte sich aus dem Zimmer Richtung Bad. Auf dem Flur brach er ohnmächtig zusammen. Eine halbe Stunde später fand ihn einer seiner Mitbewohner und rief den Notarzt. Was nun folgte, dürfte Leuten bekannt sein, die je an einer ominösen Krankheit gelitten haben. Eine Odyssee durch diverse Kliniken. Ein Haufen Diagnosen, stets von jeweils nur einem Arzt gestellt. Mal hieß es, Blutvergiftung, dann Elephantiasis; letztendlich einigte man sich darauf, dass das ganze Übel psychische Ursachen haben musste. Also wurde er in die Nervenklinik verlegt. Diese befand sich außerhalb der Stadt und bestand aus mehreren Gebäuden auf einem parkähnlichen Gelände. Eigentlich ganz hübsch, beinahe romantisch. Wenn nur der Grund des Aufenthaltes nicht so ernst gewesen wäre. Die hohen Bäume sah Robert nur durch die Fenster und ihr Rauschen hörte er nachts, wenn die anderen schliefen. Da er kaum aufstehen durfte, döste er anfangs nur vor sich hin. Das lag wohl auch an den Medikamenten, die ihm verabreicht wurden. Mit der Zeit ließen allerdings die Nebenwirkungen nach. Seine Schläfrigkeit hielt sich nach drei Wochen in nahezu normalen Grenzen. Lucienne arbeitete als Schwestern-Schülerin im dritten Ausbildungsjahr auf der Station. Sie fiel Robert auf, erst ein wenig. Dann immer mehr. Mit der Zeit wurde sie zu dem einzigen Wesen, von dem er Notiz nahm. Sie wurde sein Lebensmittelpunkt und sein Lebenselixier. Irgendwann nahm er allen Mut zusammen und sprach sie an, fragte nach ihrer Adresse, wollte wissen, ob sie einen Freund hätte. Lucienne, ein freundliches und hilfsbereites Mädchen, beantwortete geduldig seine Fragen. Als sie merkte, dass es mit Robert’ Genesung steil bergauf ging, war ihre Begeisterung riesig. Das Stationsteam beglückwünschte die angehende Schwester zu ihrer Gabe, einen überaus positiven Einfluss auf die Patienten zu haben. Die Behandelung wurde als erfolgreich beendet abgeschlossen, Robert vollkommen gesund entlassen. Im Herbst feierten Lucienne und Robert ihre Verlobung im großen Freundeskreis. Seine Mitbewohner waren richtig neidisch. Solch einen Fang hatten sie ihrem Freund gar nicht zugetraut. Das war jetzt nicht einmal sechs Monate her. Lucienne hatte kalte Füße bekommen. „Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Besseres findet.“ Robert wischte sich die Tränen aus den Augen, da stand jemand vor ihm. Er schluckte, ein paar Schritte entfernt von ihm war ein junges Mädchen festgewachsen, es hatte jedenfalls den Anschein. Robert schnäuzte sich die Nase und betrachtete das Mädchen. Sie war hübsch, hatte schöne schwarze Locken, aber vorn die graue Strähne passte nicht zu ihrem jugendlichen Alter. Ihre großen blauen Augen hatten etwas Verwirrendes, sie blickten hilflos und zugleich berechnend. „Sie hat gar keine Ähnlichkeit mit Lucienne“, stellte er enttäuscht fest. Lucienne hatte die Ausstrahlung einer Fee, einer guten Fee seiner Meinung nach. Das hatte ihn vom ersten Moment an magisch zu Lucienne hingezogen. „Dieses Mädchen hier könnte eine Hexe sein“, überlegte er. Sie hatte so etwas Tragisches an sich und wirkte trotzdem entschlossen. Was gab es nur so Interessantes zu sehen? Er drehte sich langsam um. Da war nichts. Nur Büsche und Bäume, Stadtpark halt. Er beschloss, auch dorthin zu schauen. Ganz vorsichtig begann das Gespräch der beiden. Sie machte den ersten Schritt: „Enten füttern hilft immer.“ „So so.“ „Hier in der Nähe ist ein Bäcker“, erwartungsvoll sah sie ihn an. „Okay, schlimmer kann´s nicht werden. Dich schickt wohl der Himmel.“ Fortsetzung folgt, die Geschichte geht nicht ewig, noch ca. drei Beiträge Ich habe lange überlegt, wie ich diese Geschichte im Blog unterbringe... Nun, ich fange einfach mit der Einleitung an und der Rest ergibt sich von selbst: Mausgrau - die Geschichte von einem Wunder, das keins ist "Heinrich, der Wagen bricht!" "Nein, Herr, der Wagen nicht, Es ist ein Band von meinem Herzen, Das da lag in großen Schmerzen, Als Ihr in dem Brunnen saßt Und in einen Frosch verzaubert wart." (aus “Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich” von den Gebrüdern Grimm) Sie ließ die Fotografen einfach auf der Straße stehen. Die Treppe runter zu ihrer Souterrain-Wohnung, Tür zu und erst einmal tief durchatmen.
Der schöne Alexander erwartete sie schon. „Na, war’s so schlimm?“, er stellte sich hinter sie, löste ihre kunstvolle Hochsteckfrisur und fing an ihr den Kopf zu massieren. Dabei summte er „Katrin malt mit Wasserfarben“, ein Lied von Gerhard Schöne. Er hatte eine Schwäche für diesen Liedermacher aus DDR-Zeiten. Das konnte man ihm nicht abgewöhnen. Er mochte besonders die Kinderlieder, vielleicht weil er selbst noch wie ein Kind war. Sie kannte Alexander jetzt vier Jahre. Er war ihr bester Freund. Gemeinsam gingen sie zur Tanzschule. Marlene war ein Tanztalent und Alexander hatte ihr Mut gemacht, mit dem Tanzen Geld zu verdienen. Obwohl Marlene und Alexander als Flamenco-Paar Erfolg hatten, richtete sich das Interesse der Fotografen am meisten auf Marlene. Sie war sehr fotogen. Noch fotogener als Alexander. „Dass alles immer so extrem sein muss in meinem Leben“, beklagte sich Marlene, „Von ganz oben nach ganz unten und nun wieder ganz nach oben und dann noch gleich fast berühmt.“ Alexander unterbrach die Massage. „Willst du zurück? Soll ich dir deine Haare wieder grau färben?“ Er war nicht nur ihr bester Freund, er war auch ihr Friseur. „Nö!“ Sie sah aus dem Fenster. Genau gegenüber auf der anderen Straßenseite war die Praxis von Frau Dr. Pfennig. Dort hatte sie bis vor einer Woche gearbeitet. Als Mädchen für alles. Es hatte Spaß gemacht. Dachte sie. Bis sie anfing mit den Instrumenten zu reden, die sie aus dem Steri holte. Die Geschichte geht nächste Woche weiter. Und ich werde sie nicht so sehr ausdehnen, nur auf etwa vier Beiträge. Wer hat sich diese Frage nicht schon einmal gestellt?
Mit dieser Frage fängt manchmal ein Selbstfindungsprozess an oder sie läutet unseren spirituellen Weg ein. „Wozu das Ganze?“, dafür gibt es keine einzige Antwort, eine Ahnung im Ansatz könnte man in meiner „Geschichte vom Vielaugenbaum und neun Vögelchen“ finden. „Wozu das Ganze?“ führt uns in unsere Freiheit und zu der Chance, den Ruf unserer Seele nach Wachstum zu erhören und ihm zu folgen. Das Leben ist schön, niemand sagt, dass es einfach ist. Nach meiner Erfahrung ist das Leben obendrein auch nicht gerecht. Damit habe ich lange gehadert. Momentan mache ich zwei online-Kurse bei Bahar Yilmaz und Jeffrey Kastenmüller. Dort habe ich eine mögliche Erklärung für diese Ungerechtigkeit erhalten: Wir sind hier, um unser Herz zu öffnen, obwohl es Widrigkeiten und Widerstände gibt, gegen die wir anlaufen. Wir sind hier, um unsere Wahrheit zu sprechen im Gewusel und der Hektik des alltäglichen Lebens. Wir sind hier, um die Welt zu einem besseren Ort werden zu lassen, und wenn es nur ein Lächeln ist, das wir im Moment geben können. Wenn wir in der Wärme und Liebe eines Retreats wir selbst sind, ist das klasse, aber wenn wir es schaffen, uns selbst treu zu bleiben in einer rauen Umwelt, eventuell mit viel Gegenwind, dann ist das ein wahrer Fortschritt. Dann haben wir unser „Wozu das Ganze?“ ein Stück weit transformiert. Endlich. Unendlich. Ist das nicht wunderschön? Umarme dein Sein und du umarmst die Welt mit all ihren Widersprüchen. Dazu das Ganze. Vielleicht... |
Inés Witt
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