Neulich kam zu mir eine Geschichte.
Sie hat mich gefunden. Mehrmals. Und jetzt findet sie dich, wenn du magst. Ich erzähle sie mit meinen Worten. Wenn du suchst, wirst du sie wiederfinden. Jeder erzählt sie anders: Die Geschichte von dem Dorf mit den goldenen Fenstern. Vor vielen Jahren wuchs ein Junge in einem kleinen Dorf, welches im fernen Himalaja Gebirge beheimatet war, heran. Jeden Morgen machte sich dieser kleine Junge auf den Weg zur Schule. Und jeden Morgen fiel sein Blick auf ein Dorf, das sich weit entfernt, gegenüber in den Bergen hinter einem tiefen Tal befand. Die Menschen in diesem Dorf mussten von großem Wohlstand gesegnet sein, denn die Häuser dort hatten goldene Fenster. Sie leuchteten und strahlten verheißungsvoll. Sie versprachen gleißendes Glück. "Wenn ich groß bin", sagte sich der Junge, "werde ich zu diesem Dorf gehen". "Wenn ich groß bin", sagte sich der Junge, "möchte ich genau in diesem Dorf leben und auch so ein Haus mit goldenen Fenstern besitzen". Während seiner gesamten Kindheit trug ihn seine Sehnsucht auf sanften Schultern und schürte die Hoffnung auf ein besseres Leben. Es kam der Zeitpunkt. Endlich war es soweit. Er war groß und stark und machte sich auf den Weg. Lange musste er wandern, viele Hindernisse überwinden. Doch irgendwann erreichte er dieses wundervolle Dorf. Was musste er sehen? Es war ein ganz gewöhnliches Dorf. Die Häuser hatten ganz gewöhnliche Fenster. Wohin war all der Zauber verschwunden? Verwundert blickte er sich um. Es war spät geworden und die Sonne neigte sich schon tief am Horizont. Seine Augen irrten in die Ferne umher. Zu dem Dorf gegenüber, aus dem er gekommen war. Ja, und die Häuser dort hatten goldene Fenster. Sie leuchteten und strahlten verheißungsvoll. Und versprachen gleißendes Glück... |
Inés Witt
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