Es gibt immer wieder Momente, in denen ich mich genau das frage.
Ich schaue den Menschen an und denke: Wann ist aus dir ein Erwachsener geworden? Es ist kaum vorstellbar, dass du mal ein Kind warst. Das war auf einem anderen Planeten, aber hier - eher nicht. Wann ist aus dem Kind ein Erwachsener geworden? Wann kam nicht mehr die Meise auf dein Fensterbrett? Wann wandte sich die Katze der Nachbarn ab? Wann fingst du an, gefallen zu wollen? Hast Haarspray und Make up benutzt? Oder Haargel? Nicht mehr deine Wahrheit gesprochen? Dich geduckt und angepasst? Wann hast du aufgehört, über Pfützen zu springen? Wann hast du deinen Regenbogen verblassen lassen und dein Lächeln verloren? Wann hast du es dir abgwöhnt, beim Rauschen der Bäume einzuschlafen und dich vom Gesang der Vögel wecken zu lassen? Wann hast du das letze Mal einer Pusteblume geholfen, ihre Samen in die Welt zu entsenden? Wann ist aus dem Kind ein Erwachsener geworden? Wann hast du begonnen, das Leben nicht mehr zu hinterfragen? Wann hast du realisiert, dass du mehr Sorgen hast als Anlässe zur Freude? Ab diesem Punkt glaubtest du möglicherweise angekommen zu sein. Im Erwachsensein. Die Poesie verabschiedete sich aus deinem Leben. So wie jetzt die Buchenblätter ihre Bäume verlassen, um den neuen frischen Trieben Raum zu schenken. Etwas in dir sehnt sich nach dem Menschen, der du mal warst. "Hoffnung ist der Vogel, der singt, wenn die Nacht noch dunkel ist." ( Rabindranath Tagore) Wann ist aus dem Kind ein Erwachsener geworden? Wann hast du das Vogelhaus auf deiner Fensterbank abgebaut, weil man dir gesagt hat, dass man die Vögel nicht das ganze Jahr über füttern soll, es tut nicht not? Es tut not, gut zu den Tieren zu sein. Es tut not, mit seinen Kindern zu tanzen und zu lachen. Es tut not, sich selbst zu umarmen und in ein Geschäft zu gehen und Vogelfutter zu kaufen. Es tut not, die Gewohnheiten aus Kindheitstagen zu reaktivieren. Vielleicht ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür. Wir brauchen dafür nicht auf einen anderen Planeten zu gehen. Liebevoll und sanft.
Der Wald befindet sich momentan in einer Art Hoch-Zeit. Weiße Blütenmeere fließen inmitten der Wunder unberührter Natur-Reiche. Bäume stützen einander und umarmen sich . Die Liebenden liegen sich sowieso in den Armen. Größere breiten schützende Fächer aus über die Jungen. Dass ein möglicher Hagelschauer sie nicht zu arg trifft. Der Wald ist zur Zeit sehr sanft, seine Blätter ganz weich. Ich gehe gern durch den Wald und streichle die Pflanzen. Derart, als streife ich jungen Kätzchen durch ihr Fell. Manchmal denke ich, diese oder jene Blätter sind wohl nicht mehr so samtig. Aber ich werde immer eines Besseren belehrt. Als wären die Engel der Zartheit in der Natur gerade besonders präsent. Und die Birken tragen Hochzeitskleider. Das große Fest bestreiten die Vögel, Schmetterlinge und die kleinen Wesen. Begleitet vom Licht- und Schattenspiel der Sonne, des Windes und der Wolken. Diese Feier der Verwandlung berührt jeden, der sich still und behutsam in die grünen Kathedralen begibt. Solcherlei Zeremonie macht unsere Herzen weich und zart. Und sie lässt die Liebe in unseren Auren einziehen. Verwandlung weiße Zaubersterne bedecken und verwandeln die Hügel und die Wiesen frühlingshafte Ferne Schneeblumen, sie tanzen staunend beuge ich mich über die kleinen Wunder hunderttausend Pflanzen aus lindgrünem Samt so träume ich ganz vage ein unsichtbares Kleid legt sich in meine Hand (Inés Witt) Mögen wir sie behüten, die kleinen Wesen, den Wald und die zarten Träume. Mögen wir uns immer wieder verzaubern lassen von den Engeln der Zartheit. Ihre Kleider schätzen und annehmen wissen. Lindgrüner Samt nährt jede menschliche Seele und lässt sie strahlen. Liebevoll und sanft... In Dresden gibt es ein Villenviertel mit dem Namen "Weißer Hirsch".
Dort stehen in der Nähe hoher alter Bäume schöne Häuser, deren beste Zeit jedoch schon eine Weile zurück liegt. Jetzt verfallen etliche dieser Immobilien wegen ungeklärten Eigentumsverhältnissen oder anderen offenen Rechnungen mit mehreren Unbekannten. Das oftmalige Schicksal von Besitztümern. Früher heiß begehrt. Jetzt eine Häufung von Problemen. "Monde und Jahre vergehen, aber ein schöner Moment leuchtet das Leben hindurch", schrieb einst der österreichische Dichter Franz Seraphicus Grillparzer. An den Weißen Hirsch wurde ich erinnert durch ein weißes Reh. Ich war mir erst nicht sicher, ob es dasselbe ist, das ich vor etwa anderthalb Jahren am Waldrand erspäht hatte. Damals traute ich zuerst meinen Augen nicht, ich dachte, es sei ein kleines Pferd. Aber dann sah ich die anderen Rehe und sie verschwanden zusammen im Nebel auf einem weitläufigem Feld. Vor einigen Tagen war ich genau in diesem Waldstück mit unserer Hündin Amy unterwegs. Es hatte gerade geregnet. Die Erde atmete Dunstschwaden aus. Das gab der Stunde einen mystischen Zauber, welcher bedauerlicherweise nicht lange anhielt. Mir kam eine Menge Leute entgegen mit vielen Hunden, die laut durcheinander bellten. Wer einen Hund hat, weiß wie blöd das laufen kann, wenn eine Meute fremder Hunde den eigenen einkreist. Die Besitzer finden das meist amüsant und sagen, dass die das unter sich ausmachen können. Fließt Blut, war es nimmer das eigene Tier, das zugebissen hat. Kurzum: Ich machte die Biege und verzog mich mit Amy in's Dickicht, stapfte über verrottete Äste, kletterte durch das Gelände und war grimmig auf mich und die Welt. Wieso kann ich mich oft dermaßen schlecht durchsetzen? Im Gestrüpp des Waldes gelang mir das wenigstens und irgendwann kamen meine Freundin im Fell und ich auf eine Lichtung. Und da geschah es! Ein Reiter auf einem weißen Einhorn lächelte mir zu und versprach zu den Menschen zu reiten und ihnen Bescheid zu geben, dass sie gefälligst achtsamer durch Wald und Flur spazieren sollten. Verschwörerisch zwinkerte mir das Einhorn zu und mein Herz machte Freudensprünge des Glückes. Ach, Spaß beiseite.. Wobei, eines Tages wird es genau so geschehen, denn ich bin oft dort, wo man sonst nicht hingelangt. An Plätzen, wo Wunder möglich sind. Da, wo die Monde und die Jahre noch Geschichten erzählen, wo in den kleinen Blumen die Elfen schlafen, wenn sie nicht gerade in den Sonnenstrahlen tanzen. An Orten, die niemanden gehören. Und wenn, dann höchstens den Tieren und Waldhütern, die ebenda hausen. An Stätten, die sich dem Jahreslauf hingeben, im Werden und Vergehen, deren Wert für alle Zeiten erhalten bleiben wird, sofern nicht der Mensch eingreift und zum Beispiel ein Villenviertel baut. Also zur Realität... In Wirklichkeit zeigte sich mir das weiße Reh. Es stand lange einfach da und schaute mich an. Amy war an der Schleppleine, sonst wäre die Idylle schnell vorbei gewesen. Das weiße Reh hatte wunderschöne Augen, wie auf dem Foto über dem Text. Lange helle Wimpern umrandeten die beiden treuen braunen Lichter im Gesicht dieser Schönheit. "Ach, wie wundervoll, dass du noch lebst!", flüsterte ich. "Ja, es ist nicht einfach, ich falle zu sehr auf", kam die Antwort. "Zum Glück gibt es die anderen." "Wo sind sie denn?" "Du siehst sie nicht, sie verstecken sich. Sie müssen mich nicht beschützen, denn du bist wie ich. Du tust mir nichts. Außerdem sieht dein Hund ein wenig aus wie ich." "Es ist trotzdem besser, wenn ich sie an der Leine lasse, sie ist ein Jagdhund mit erheblichen Fuchsanteilen, deshalb ist Amy auch sehr wild." Da fiel mir ein, dass der Fuchs eins meiner liebsten Krafttiere ist und der Fuchs immer einen Weg findet. Wenn es sein muss, sogar zu einem märchenhaften weißen Reh. Tja, so war das inmitten der Natur mit dem weißen Reh. Ich dankte im Stillen den Menschen, von denen ich mich hatte vertreiben lassen. Denn weiße Rehe und Hirsche zeigen sich selten und man findet sie meistens nur an Orten, wo sich kaum jemand hinbegibt. An Plätzen, wo Wunder möglich sind. Da, wo die Monde und die Jahre noch Geschichten erzählen, wo in den kleinen Blumen die Elfen schlafen, wenn sie nicht gerade in den Sonnenstrahlen tanzen. An Orten, die niemanden gehören. Und wenn, dann höchstens den Tieren und Waldhütern, die ebenda hausen. An Stätten, die sich dem Jahreslauf hingeben, im Werden und Vergehen, deren Wert für alle Zeiten erhalten bleiben wird, sofern nicht der Mensch eingreift und zum Beispiel ein Villenviertel baut... Mein Mond scheint nicht sehr hell im Moment.
Eine Korona - ja, ich traue mich, diesen Begriff zu verwenden - umrandet ihn und dämpft sein Licht. Mein Mond nimmt ab. Ich selbst leider nicht. Der nächste Vollmond kommt bestimmt und wenn die Wetterlage es zulässt, wird die Welt auf magische Weise in seinen sanften, erhellenden Schein eintauchen. Mein Traumschloss hat sich in Luft aufgelöst und das daneben stehende Kartenhaus ist zusammengefallen. Ein Hauch von dem, was war, ist noch zu spüren wie ein leise Brise. Trotzdem greift meine Hand in's Leere. Es tut weh, obwohl ich von Anfang an ahnte, dass diese "Immobilien" nur vorübergehend zu meinem Leben gehören würden. Wie schnell etwas kollabieren kann, merken jetzt viele Menschen. Ich stand bereits oft in diesem luftentleerten Raum. Fühlte das Nichts. Das wirklich Schmerzhafte ist der Erkenntnisprozess. Dass sich etwas verändert, verabschiedet. Dass etwas nicht mehr zu einem gehört, dass man selbst nicht mehr dazu gehört, weil man "anders" ist. Das wirklich Schmerzhafte ist die "Trennung". (Welche von vielen Weisheitslehrern wiederum als Illusion bezeichnet wird.) Irgendwann, das weiß ich, tut es nicht mehr so weh. Es wird - eher im Gegenteil - meinen Atem freier machen. Die Atmosphäre klar. Die Realität ist dann etwas, an dem ich mich orientieren kann. Der Boden unter den Füßen wird gleichzeitig zum Fels in der Brandung. Bis das nächste Luftschloss erscheint. So wandle ich von Fata Morgana zu Fata Morgana. Aufwachen werde ich wohl erst am Ende meines Lebens. Also nehme ich an, was ist. Die nächste schöne Illusion werde ich als Quelle der Inspiration sehen. Das nächste Kartenhaus als eine temporäre Bleibe. Vielleicht werde ich Fotos machen, um mich hinterher zu erinnern, wie schön diese Traumschlösser waren und wie sehr sie mich für eine Zeit genährt, wie liebevoll sie mich beherbergt haben. Also, Danke, liebe Gebäude aus Luft und Liebe! Danke, dass ihr euch mir gezeigt habt. Danke, dass ich jetzt merke, dass ich ohne euch leben kann. Und dass ich das Paradies in mir selbst finden werde. Weil dies nun not-wendig geworden ist. Somit werde ich Willkommen und Abschied in der Zukunft besser verkraften. Auf dem Weg der Balance und der inneren Mitte. Meditieren hilft. Stille. Selbst. Sein. Bei mir jedenfalls... |
Inés Witt
|