"Wenn man vor der Entscheidung steht, ein Leben zu führen, das der eigenen Bestimmung entspricht, oder so weiterzuleben wie bisher, sollte man eigentlich annehmen, dass einem die Wahl leicht fällt.
Aber so ist es nicht. Im Laufe der Zeit habe ich beobachtet, dass die meisten Menschen ihre Reise an diesem Punkt beenden. Sie spähen durch ein Loch im Zaun und können deutlich das Leben erkennen, das sie gerne haben würden, aber aus allen möglichen Gründen öffnen sie das Tor nicht und gehen nicht auf dieses Leben zu. [ ... ] Nun, da ich herausgefunden habe, warum ich hier bin, und mein Leben so gestalte, dass ich dieser Bestimmung gerecht werde, würde ich nie mehr zu einem Leben auf der anderen Seite des Tors zurückkehren." (aus: Epilog von „Das Café am Rande der Welt – Eine Erzählung über den Sinn des Lebens“ von John Strelecky ) Diese Worte waren ausschlaggebend dafür, dass ich das Buch von John Strelecky gelesen habe. Manchmal stolpert man über ein Zitat und denkt, genauso ist es. Durch das oben beschriebene Tor bin ich schon einige Male gegangen. Aber ich muss etwas falsch gemacht haben, denn ich bin nicht in meinem Traumleben angelangt. Beziehungsweise in dem Leben, das ich für mein Traumleben gehalten habe. Ich bin irgendwo dazwischen angekommen. Und „dazwischen“ zu landen war nicht gerade meine Intention. Um mich jetzt mal aus dem Ganzen schön rauszureden, sei hier erwähnt, dass ich gegen Mitternacht geboren wurde. Also kurz nach 0:00 Uhr. Mein Geburtsdatum macht mich vom Sternzeichen her mal zum Zwilling und mal zum Krebs. Das Grenzgängertum wurde mir quasi unaufgefordert in die Wiege gelegt. Also die Grauzone scheint das Biotop zu sein, in dem ich wachse und gedeihe. Zur Grauzone passt auch der Nebel. Dass man nicht wirklich durchsieht. Dieser Fakt rundet meine Selbstanalyse ab. Ich liebe Nebel, ich mag grau, trage gern schwarz und bin oft nachts wach. Und weil ich es liebe im Nebel zu stehen, ist es nicht auszuschließen, dass ich längst in meinem Traumleben existiere ohne es mitbekommen zu haben. Also nicht wundern, wenn es jenseits von durchschrittenen Toren oder Türen ganz anders aussieht, als gedacht oder erwünscht. Und trotzdem den Schritt wagen, wenn das Herz „Ja“ sagt. Das stelle ich hier fest in meiner Nebelblase. Zurück möchte ich nämlich auch nicht, auf gar keinen Fall. Ich bin dankbar für jeden gegangenen Weg, für jedes durchschrittene Tor. Comments are closed.
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Inés Witt
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