Die Zeit zwischen Geburt und Tod kann man sich vorstellen wie einen Tag im Leben eines Kindes.
Ein Tag. Sehr übersichtlich. Sehr endlich. Und irgendwie doch tröstlich. Das hoffe ich. Wir kommen in die Welt. Das Kind wird morgens wach. Es steht auf, macht dies und das. Das Kind schaut in den Spiegel. Wie sehe ich aus? Wer bin ich? Bevor es nach draußen geht, gibt es Frühstück. Eine Jacke, feste Schuhe oder Sandalen - je nach Jahreszeit. Ein Rucksack oder eine Schultasche. Und das Abenteuer beginnt. Es kann passieren, dass das Kind schon auf dem Schulweg in einen schweren Unfall verwickelt wird. Dann war das Leben arg kurz. Aber nehmen wir an, das passiert nicht. Das Kind kommt pünktlich in der Schule an. Es lernt viel. Zwischendurch macht es auf dem Schulhof Faxen. Das Kind hat Freunde. Aber auch Mitschüler, denen es lieber aus dem Weg geht. Ein Junge stellt ihm ein Bein und es fällt hin. Die Wunde wird noch den ganzen Tag weh tun. Aber die Lehrerin sagt: Das geht vorbei. So geht das Leben immer weiter. Dinge gehen vorbei. Dinge schmerzen. Dinge lassen uns vor Freude in die Luft springen. Nach der Schule spaziert die Kleine mit ihrer besten Freundin durch den nahe gelegenen Wald. Die Freundin hat einen Hund. Bellendes Glück fegt durch's Gebüsch. Ein aufgescheuchtes Reh verschwindet am Horizont. Unverhofft zieht ein Gewitter auf. Genau, du hast Recht, wir reden hier in diesem Fall von einem Mädchen Frierend und bis auf die Haut durchnässt stehen die beiden Freundinnen mit dem Hund vor der Haustür des Försters. Am Kamin wärmen sie sich auf und trinken leckeren Kakao. Der Hund schläft selig nach dem ganzen Herumgetobe und Gerenne. Dem Kind geht es gut, aber die Wunde vom Vormittag pocht. Hoffentlich entzündet sie sich nicht. Der Förster reinigt und desinfiziert die Verletzung. Ja, wir bekommen beides zu spüren, Ungemach und Hilfe. Sturm und warme Stuben. Freunde und Feinde. Weggefährten und sichere Häfen. Wenn wir Glück haben. Dann meint der Förster, es sei Zeit für die Kinder nach Hause zu gehen. Sie machen sich auf den Weg. Unterwegs treffen sie noch einige Mitschüler. Jemand hat Geld dabei. Sie kaufen sich etwas zu naschen und für den Hund auch eine Kleinigkeit. Dann fällt unserer Protagonistin ein, dass sie noch Hausaufgaben machen muss und verabschiedet sich von den anderen. Ach, was war das für ein schöner Tag. Zu Hause wartet ihre Mutter schon auf sie. Sie erzählt, was sie alles erlebt hat und die Mutter freut sich für ihre Tochter. Ja, was für ein schöner Tag! Das Pflaster auf der Stirn stört inzwischen gar nicht mehr. Das Mädchen macht seine Hausaufgaben. Nicht alle. Ein wenig will sie morgen noch vor der Schule fix abschreiben. Denn sie ist so müde von allem, was sie erlebt hat heute. Nach dem Abendbrot nimmt sie ein warmes Bad. Sie geht in ihr Zimmer, legt sich ins Bett. Am Fußende steht ein Engel. Es sei nun an der Zeit. Sie streicht sich die grauen Strähnen aus der Stirn, legt die Lesebrille auf den Nachttisch. Im Idealfall schläft sie sanft ein. So genau wissen wir das nicht. Es war ein schönes Leben, denkt sie noch. Aber nun ist es vorbei. Und der Engel nimmt ihre Hand. Schlaf gut bis morgen, hört sie ihn flüstern. Ja, ich schlafe jetzt. Bis morgen... Comments are closed.
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Inés Witt
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