Vor einigen Jahren habe ich eine Freundin in der Schweiz besucht, genauer gesagt in Winterhur.
Ich gebe ihr mal einen anderen Namen wegen dem wichtigen Datenschutz: Isabel. Isabel wohnt sehr schön, am Stadtrand, vor und hinter ihrem Haus gibt es einen riesigen Garten mit Sitzbänken und auf einem Rasenstück ein kleines Gehege für Schildkröten. Wo die Schildkröten überwintern, weiß ich nicht. Sie gehören nicht meiner Freundin, sondern der Frau, die im Erdgeschoß wohnt. Isabels Wohnung befindet sich in der ersten Etage. Die Wohnung meiner Freundin ist großzügig mit vielen Fenstern. Isabel besitzt ein Klavier. Ich habe ihr damals zwei oder drei Lieder vorgespielt und -gesungen. Isabel hat - und darum soll es vor allem in dieser kleinen Geschichte gehen - einen Kater, der so ähnlich ist wie sie selbst, sehr schön, freiheitsliebend und abenteuerlustig. Nun hat es sich zugetragen, dass zu dieser Wohnung in der ersten Etage eine Katzenleiter führt, welche mit viel Liebe zum Detail an der Rückseite des Gebäudes befestigt wurde. Ich habe diese bewundernswerte Konstruktion mit eigenen Augen betrachtet und konnte es kaum fassen, was für ein Glück doch Isabel mit ihrem Kater hatte, dass sie ausgerechnet eine Wohnung gefunden hat, in der vorher schon ein Katzenmensch gelebt hat und der obendrein noch über Einfallsreichtum und handwerkliches Geschick verfügte. Isabel strahlte mich an: "Das Katerchen kann kommen und gehen, wie es ihm beliebt, ist das nicht klasse?" Schwer beeindruckt und fröhlich verabschiedete ich mich irgendwann und fuhr zurück nach Herdwangen-Schönach. Dort hatte ich gerade eine Seminarwoche bei der lieben und inspirierenden Jana Haas besucht. So, roter Faden - zurück zu den Katzenleitern... Was soll ich euch sagen? Das Wunder stellte sich als Alltäglichkeit in der schönen Schweiz heraus. In einem Artikel der NZZ (Neue Zürcher Zeitung) las ich im letzen Herbst, dass die Katzenbesitzer dort Katzenleitern an ihre Häuser montieren, dass das ganz normal und alltäglich ist. Die Katzenklappen am Ende der jeweiligen Leiter, der Wendeltreppe oder was auch immer - der Einfallsreichtum der Tierfreunde ist beeindruckend - sind nur für die eigenen Tiere reserviert. Wie das im Einzelnen verwirklicht wird, wurde nicht näher beschrieben. Es geht um das VIP, das "very important pet", für das der exklusive Ein- bzw. Ausgang reserviert ist. Man muss kein Hellseher sein, was passiert, wenn - ja, wie drücke ich das jetzt korrekt aus- nicht geprüft wird, ob das geliebte Familienmitglied Zutritt zur Wohnung erhält oder beispielsweise der Kampfkater vom Nachbarn schräg gegenüber, mit dem man sich sowieso wegen Falschparken, lauten Grillpartys oder ähnlichem erzürnt hat. Ich meine jetzt den Nachbarn, nicht den Kampfkater. Wobei das Sprichwort "Wie das Herrchen, so das Tierchen" ganz sicher seine Bewandtnis hat. Meine Liste unerfreulicher Hunde-Menschen-Begegnungen ist lang und der eben zitierte Satz STIMMT. Für fast alle!!! Aber ich will ja nicht jammern, also weiter im Text und hiermit zu der Quelle meines neuen Wissens: "Katzen sind vor Hunden in vielen Ländern das beliebteste Haustier, um die 1,5 Millionen leben in der Schweiz. Und weil sie für viele Menschen zur Familie gehören wie ein gleichwertiges Mitglied, nimmt man auch auf die Bedürfnisse der Tiere Rücksicht. Das bedeutet, dass man ihnen, wenn immer möglich, freien Ausgang gewährt. Seit ihrer Domestizierung vor 4000 Jahren sind Katzen [...] die Seele des Zuhauses, wie Jean Cocteau gesagt hat. [...] Aber eine Katze verkörpert auch weiterhin das Wilde, Ungezähmte, die Natur. [...] Katzenleitern gehören in der Schweiz zum Bild von Strassen und Quartieren, sie prägen deren Charakter und erzählen von der engen Beziehung zwischen Mensch und Tier. Die schmalen Stiegen und Leitern sind dabei oft ein kreativer Bestandteil von Häuserfassaden und machen auf einen Blick deutlich, wer hier auch noch wohnt. Auf dem Briefkasten steht es ja nicht. Damit einem diese kulturelle und architektonische Besonderheit aber überhaupt auffällt, muss man als Fremder in die Schweiz kommen." (NZZ, 22.11.2019, Birgit Schmid: "Auf dem Catwalk: Die Schweiz ist ein Land von Katzenleitern") Genauso ist es mir ergangen. Was für Schweizer ganz gewöhnlich ist, war und ist für mich ein Wunder und ehrlich gesagt, freue ich mich darüber, denn das Gefühl, Zeuge eines Wunders geworden zu sein, ist unbezahlbar. Comments are closed.
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Inés Witt
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