Neulich habe ich gelesen, dass über die Hälfte aller Berufsmusiker vor einem Auftritt unter Symptomen wie schwitzigen, zittrigen Händen, Mundtrockenheit und verspannten Muskeln leiden, was die Performance regelrecht ruinieren kann...
Das hätte ich nicht für möglich gehalten, ich dachte es trifft nur Leute wie mich, Menschen, die erst "spät" angefangen haben sich mit Musik zu beschäftigen und in diesem Zusammenhang mit Auftritten. Absolut krass finde ich die Geschichte von Mike Oldfield, dem durch Kontakte eine gigantische Bühne ermöglicht wurde. Mein Mann hat das Buch "Losing My Virginity: Die Autobiografie" von Richard Branson gelesen und mir folgende Begebenheit erzählt. Mike Oldfield bekam eine riesige Chance, nahm sie unter unfassbaren eigenem Widerstand wahr und verschwand nach diesem Ereignis für Jahre völlig aus der Öffentlichkeit bzw. ließ sich auf keiner Bühne blicken. Es war zu schnell gegangen, zu hoch, zu zu zu ... alles erdenkliche für seine Seele. So habe ich das Ganze jedenfalls verstanden. In meiner Jugend habe ich viel Mike Oldfield gehört und natürlich auch seine LP "Tubular Bells". Ich bewunderte ihn, zumal er ein Multiinstrumentalist ist. Immer noch habe ich Hochachtung vor ihm und mit diesem Wissen umso mehr. Seine Zartheit und seine Zurückhaltung haben mich sehr berührt. Wir sehen allzu oft nur die kleinen Fenster, das, was klappt, den, der erfolgreich ist und schlimmstenfalls vergleichen wir uns dann auch noch mit diesem inkompletten Bildnis. Was davor und danach kommt, erfahren wir selten. "Als die letzten Takte von Tubular Bells in der Queen Elizabeth Hall verklangen, ließ das Publikum das soeben Gehörte noch einen Moment lang schweigend auf sich wirken. Alle schienen geradezu hypnotisiert, und niemand wollte den Bann brechen. Dann standen alle auf und klatschten stürmisch Beifall. [ ... ] Mike stand vor der Orgel, eine winzige Gestalt, verbeugte sich einfach und bedankte sich. Selbst die Band klatschte Beifall. Ein neuer Star war geboren. An jenem Abend verkauften wir Hunderte von Exemplaren von Tubular Bells. Mike war zu mitgenommen, um eine Pressekonferenz geben zu können. [ ... ] Er verschwand in seinem neuen Bentley. Danach weigerte er sich jahrelang, eine Bühne zu betreten." (aus "Losing My Virginity: Die Autobiografie" von Richard Branson) Lampenfieber und Demut gehören einfach dazu, wenn man sich auf die Bühne traut. Lampenfieber und Demut sind nicht immer sichtbar. Das dürfen wir uns gern in's Gedächtnis rufen, bevor wir jemanden "zensieren", der dort steht, alleine, im Rampenlicht. Da, wo einige von uns gern wären und doch nicht erahnen können, wie es sich anfühlt, von sehr vielen Menschen gesehen und gehört zu werden. Comments are closed.
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Inés Witt
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