Oder beides? Über den Imago-Prozess habe ich einiges gelesen. Du sicher auch. Falls nicht, ich glaube, keine Geschichte beschreibt ihn besser als diese, die ich irgendwann im Internet von einem unbekannten Autor gefunden habe. Ich gebe sie hier mal mit meinen eigenen Worten wieder:
Ein Schmetterling versuchte durch die schmale Öffnung seines Kokons zu schlüpfen. Das beobachtete ein Mann und bekam Mitleid, weil sich der Schmetterling so abmühte. Der Mann nahm eine kleine Schere, öffnete vorsichtig den Kokon und siehe da, der Schmetterling konnte sich leicht befreien. Aber dann bekam der Mann einen riesigen Schreck: Der Schmetterling konnte nicht richtig fliegen, er stürzte ab und auch auf seinen Beinen konnte er nicht wirklich stehen. Der Mann berichtete einem Freund von dieser Tragödie und erfuhr, dass er dem Schmetterling nicht hätte helfen dürfen. Er hat dem Schmetterling viel mehr geschadet als „geholfen“. Der Mann hat den Schmetterling zwar kurzfristig unterstützt, aber langfristig seine Entfaltung verhindert, weil der Schmetterling erst eigenständig durch diesen Imago-Prozess hätte gehen müssen, damit sich seine Flügel ent-wickeln. Ein Schmetterling braucht also Widerstand um in seine Entfaltung zu kommen. Es braucht Dinge, an denen wir wachsen können. Auch als Erwachsener mache ich immer wieder die Erfahrung der „Wachstumsschmerzen“. Es läuft mitunter hier nicht oder tut dort weh. Ich bin überzeugt, dass es meinem Image nicht schadet, wenn ich zugebe, dass ich vorhabe bis an mein Lebensende zu wachsen. Für manche Menschen mag das befremdlich wirken, schließlich sollte man doch sein Image hoch halten. Ja, sollte man? Um auf die eingangs gestellte Frage „Image oder Imago?“ zurück zu kommen: Ich sage: „Eindeutig beides!“ Das eine schließt das andere nicht aus. Eher im Gegenteil, wenn ich mit meinem kleinen Ego nicht so bedürftig und abhängig von der Meinung anderer bin, kann ich offen äußern, dass ich mich ab und zu verpuppen und hinterher neu erfinden möchte oder muss. Ich werde dadurch ja keine andere Person, sondern bestenfalls eine reifere und liebevollere Ausgabe meiner Selbst. Und das sollte doch dem Image nicht schaden, oder? Denn mit Imago ist „Du Baum, wachse! Da geht noch was!“ gemeint und nicht: „Bäumchen, wechsle dich!“. Comments are closed.
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Inés Witt
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