Ich gehöre zu den Menschen, die sich nicht vorstellen können, wie es im Winter ist, während sommerliche, flirrende Hitze mich in den Schatten flüchten lässt, Scharen von Libellen und Schmetterlingen unsere Wiesen beleben, sich fliegende Blumen zu denen mit einem festen Standort gesellen und abends die Grillen zirpen.
Ich gehöre zu den Menschen, die im Sommer am liebsten all ihre warmen Kleidungsstücke weggeben würden, weil sie nicht gebraucht werden. Es ist doch so gar nicht kalt… Immer wieder bin ich erstaunt, wenn sich die Natur ihrem Wandel hingibt, ohne nachzudenken. Irgendwann werden die Tage kühler, man braucht eine Jacke und dann ist er da, plötzlich, der erste Herbsttag: wolkenverhangen, leise verregnet, nur das Laub zieht einige oder viele, je nachdem, farbige Pinselstriche über die Landschaft oder Straßen. Zögerlich verträumt zeigen sich knorrige Bäume mit ihren ausladenden, bemoosten Ästen; am Waldrand strecken sie fast flehend ihre großen graubraungrünen Hände aus mit der Bitte um ein wenig spätes Licht. Auf Grashalmen bilden sich filigrane, durchsichtige Perlenketten, die mir die Illusion vermitteln, dass Pflanzen eitel sein könnten. Soviel Schmuck. Es duftet nach Pilzen und man hört die Kraniche, lange bevor man sie am Himmel erspähen kann. Auf einem Hügel bei uns in der Nähe finden sich seltsame Pflanzen ein, die aussehen wie Igel. Eine große Versammlung findet in aller Stille statt und man kann sich denken, sie werden lange bleiben, auch die heftigsten Stürme überdauern. Dann stehe ich da und kann mich nun wiederum kaum in den Sommer hineinfühlen, denn es ist jetzt Herbst und den Herbst habe ich von allen Jahreszeiten schon immer am meisten geliebt. Auch der Winter ist mir unfassbar fern. Im Grunde bin ich, zumindest was den Jahreslauf anbelangt, tief im Hier und Jetzt verwurzelt. Ich schaue auf die Spinnweben an unserem Hauseingang und weigere mich, mir dort weisshellblaue Eiszapfen vorzustellen . Die gibt es nicht in meiner Welt. In meiner Welt spazieren Raben und Krähen über endlose abgeerntete Felder. In meiner Welt verschlucken Nebelschwaden alles, was nicht sichtbar sein möchte in diesem Moment. Und ich strecke meine Hände aus, fast flehend mit der Bitte um ein wenig spätes Licht. Comments are closed.
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Inés Witt
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